Sonntag, 28. April 2013

"Im Wald und auf der Heide..." - Teilnahme am 1. Heidschnucken-Ultra über 100 km



Lange Strecken zu trainieren, ohne im Kreis zu rennen, ist eine ganz eigene Herausforderung. Im wesentlichen eine logistische. Um 100 oder 150 km zu laufen braucht es eine sinnvolle (und schöne) Strecke, gute Verpflegung und Transporte hin und zurück. In der Ultraszene gibt es immer wieder passionierte Läufer, die mit großem persönlichem Engagement liebevoll geplante Läufe ausrichten. Das sind Einladungsläufe, für die man sich beim Veranstalter bewerben kann und für die man dann bei entsprechender Eignung eingeladen wird.
Ein beeindruckendes Beispiel dafür sind unsere Freunde Julia und Jens und ihr Team Ronja, die alle zwei Jahre die anspruchsvolle „Tortour de Ruhr“ ausrichten, ein 230 km-Lauf an der Ruhr, von der Mündung bis zur Quelle.

Auf der Suche nach einer schönen Trainingsmöglichkeit für 100 km mit Verpflegung in unbekanntem Gelände, ist Hajo auf den „Heidschnucken-Ultra“ gestoßen. Er ist eine Premiere und wird von Elke Bernstorf und Frank Lomott organisiert. Der Kontakt ist schon im Vorfeld sehr herzlich und familiär und ich merke, dass Hajo anfängt, sich auf den Lauf durch die Heide zu freuen. Die Laufstrecke führt aus dem südlichen Hamburg zunächst entlang des Radfernweges Hamburg – Bremen über Vahrendorf durch den Regionalpark Rosengarten. Dann folgt er dem neu eröffneten Heidschnuckenweg über Buchholz und Handeloh bis zum Wendepunkt in Wesel. Dort geht es dann auf demselben Weg wieder zurück nach Hamburg.

Was die Freude ein wenig trübt, ist ein kleiner Temperatursturz, wir kommen am Freitag bei strömenden Regen und 12 °C in Hamburg an. Unser Neffe und seine Freundin, die uns einen kuscheligen Schlafplatz angeboten haben, zucken nur mit den Schultern: „Hamburger Schietwetter eben, nix besonderes“. Am anderen Morgen ist es zwar immer noch kalt, aber trocken, und Hajo wird vom weltbesten Neffen im Morgengrauen quer durch Hamburg zum Startpunkt gefahren. Mit ihm starten nur noch 8 weitere 100 km-Läufer.

Und es wird eine echte Herausforderung. Hajo ist das „Asphalttreten“ gewöhnt und der Weg durch die Heide ist über weite Strecken ein echter Trail. Sand, Morast, heftige Wurzeln, enge Stellen und die ganze Zeit ein eisiger Wind. Der Sinn einer GPS-Uhr wird schlagartig deutlich, leider hat er keine und läuft nach Streckenmarkierung und Karte, was automatisch die eine oder andere kleine Extraschleife einbaut. Am Wendepunkt in Wesel meldet er sich und wir wissen, dass er deutlich länger als 12 Stunden brauchen wird. Weil dass so ist und weil man bei solchen Anstrengungen wenigstens gut essen muss, lässt er sich Zeit, genießt die hervorragende Verpflegung an der Strecke und die nette Betreuung an den VPs.

Nach 14 Stunden und im Dunkeln ist er dann wieder da, müde und glücklich. „Viel anstrengender als ich dachte, aber gutes mentales Training...“ Er grinst und ich weiß, es geht ihm gut. Elke hat wunderbaren Kuchen gebacken, viele Sorten und die kleine Kuchenschlacht mitten in der Nacht ist was für die Seele. Der weltbeste Neffe ist wieder zur Stelle und fährt den müden Helden ins warme Bett. Wieder einen Schritt näher an Badwater.

Sonntag, 21. April 2013

"Den wahren Geschmack des Wassers erkennt man in der Wüste" - Das Death Valley und sein Ultramarathon



Meine erste Begegnung mit der Wüste, war als Studentin auf einer wilden Rucksacktour durch Ägypten. Ich war absolut fasziniert und das ist so geblieben. Nun ist die Sahara mit ihren endlosen Sandmeeren nicht mit den eher steinigen Wüsten der USA zu vergleichen, aber auch diese Landschaft berührt mich jedes Mal aufs Neue.

1999 fuhren wir zum ersten Mal ins Death Valley und empfanden es beide als einen ganz besonderen Ort. Das „Tal des Todes“ liegt, von hohen Gebirgsketten umgeben,  in der kalifornischen Mojave-Wüste und ist eine der trockensten und heißesten Gegenden der Erde. Die bisher höchste Temperatur betrug 56,7°C und während des letzten Badwater Ultramarathons, wurde mit 41,7°C der nächtliche (!) Wärmerekord gemessen.

Der tiefste Punkt des Tales liegt 85 Meter unter dem Meeresspiegel mitten in einem ausgetrockneten Salzsee namens Badwater. Dort startet im Juli auch der Lauf, bevor er sich im letzten Drittel dann auf 2530 Höhenmeter schraubt. Es ist ein gewaltiges Tal (225 km lang und 26 km breit) und alles andere als langweilig, wie wir seitdem auf vielen Jeeptouren und Wanderungen erfahren haben. Erstaunlicherweise gibt es dort eine Menge Leben. Mehrfach sind wir mageren Kojoten, bunten Eidechsen, eiligen Vögeln, dicken Hornissen und seltsamerweise sogar salzwasserliebenden Minifischchen begegnet. Wenn man frühmorgens über die riesigen Sanddünen von Mesquite Springs geht, entdeckt man unzählige Spuren von Schlangen, Wüstenhasen, Skorpionen und Känguruhmäusen. Auf einer der beiden Straßen, die das Tal durchqueren, habe ich etwas gesehen, das ich aus Western kannte: frei im Wind herumrollende Sträucher. Wir sind durch die Salzebene gewandert, haben pastellfarbene Mineralablagerungen bestaunt, einen Vulkankrater umrundet und auf abenteuerlichen Pisten verlassene Minen entdeckt. Und mehr als einmal hat sich vor uns, urplötzlich aus dem Nichts, ein hektisch drehender Sandteufel erhoben.

Der erste Mensch, der auf die Idee kam, einen Lauf durch diese Wüste zu machen, war der amerikanische Ultraläufer Al Arnold. Mehrere Jahre musste er immer wieder wegen Dehydrierung, Erschöpfung und Verletzungen aufgeben, bis es ihm 1977 zum ersten Mal gelang, die ganze Strecke zu laufen. Al brauchte dafür noch 80 Stunden, das heutige offizielle Zeitlimit sind 48 Stunden und der Rekord liegt bei 22:51 (Valmir Nunes, Brasilien). Al trainierte wochenlang auf einem Ergometer in der Sauna und steigerte damit sowohl seine Hitzetauglichkeit, wie auch sein Vermögen riesige Mengen Wasser zu sich zu nehmen.

Seit 1987 ist der Badwater Ultramarathon ein offizielles Rennen und zieht erfahrene Ultra- Läufer aus aller Welt an. Viele möchten weiter an ihre Limits gehen und setzen sich dafür einer gnadenlosen Umgebung aus. Das wollte Al Arnold natürlich auch und dennoch ist er auch mit großem Respekt und tiefer Faszination für die Landschaft gelaufen. Das berührt uns beide, denn das Tal ist auch jenseits des Laufes ein magischer Ort für uns beide.


Sonntag, 14. April 2013

Training auf dem Prüfstand... Deutsche Meisterschaften im 100-km-Straßenlauf



Gestern stand der erste offizielle Wettkampf des Jahres auf dem Plan: die Teilnahme an den 26. Deutschen 100-km-Straßenlaufmeisterschaften in Kienbaum/Grünheide. Das liegt südöstlich von Berlin und ist ein beeindruckend ausgestatteter Olympiastützpunkt. Hajos Verein, die LG Nord Ultra-Team, hatte  10 Läufer angemeldet, von denen es fünf ins Ziel geschafft haben. Für Hajo war es ein Test, der, ohne sich zu verausgaben, Aufschluss über seinen Trainingszustand liefern sollte. Nach 10:49 h ist er im Ziel angekommen und das in lockerem und sehr guten Zustand, alles sehr zufriedenstellend. Und ein kleines Bonbon: er ist in seiner Altersklasse auf den 3. Platz gekommen, bei Deutschen Meisterschaften doch ein schönes Ergebnis.

Auch ich habe mich ein wenig auf meine Crew-Tätigkeit vorbereitet und bin als persönlicher Support am Verpflegungszelt des Vereins gestanden. Was oft nicht erwähnt wird: die Arbeit der Unterstützer des Vereins fängt schon lange vor dem Lauf an, mit dem Aufbau des Zeltes, der Bereitstellung von Getränken und Verpflegung und endet erst, wenn der letzte Läufer durch ist, mit dem Einsammeln aller Habseligkeiten und dem Abbau. Während des Laufs wird nach Kräften und non-stop angefeuert, getröstet, motiviert, verarztet und verpflegt. Am Ende ist die Crew (fast) genauso erledigt wie die Läufer aber auch genauso glücklich.
Es hat Spaß gemacht: Ich habe unzählige Tipps über Sportlerernährung und –kleidung bekommen, durfte sehr eigenwillige Laufstile beobachten und darüber philosophieren, was Menschen dazu antreibt, stundenlang in 5km-Runden im Kreis zu rennen. Dabei sind die Motive höchst unterschiedlich, eines der rätselhaftesten ist für mich das meines Mannes. Sicher entwickelt Hajo auch einen gewissen Ehrgeiz und sportlichen Willen, aber im Vordergrund steht immer und jederzeit die reine Freude am Laufen. Wie man beim stundenlangen Laufen immer froher werden kann, bei jedem Verpflegungsstopp strahlt und am Schluss findet, dass es ein optimaler Tag war, weil man fast elf Stunden im Kreis gerannt ist, wird sich mir wahrscheinlich nie ganz erschließen. Aber ihn glücklich zu sehen, ist sowieso das einzige, das zählt.

Im Mittelpunkt eines solchen Laufes steht neben der optimalen Kleidung vor allem die Ernährung. Die ist von Läufer zu Läufer extrem unterschiedlich, es gibt z.B. Sportler, die ausschließlich hochkalorische Flüssignahrung zu sich nehmen, etwas, das bei Hajo nicht funktioniert. Da er sehr dünn ist und wenig Reserven hat, ist es bereits zu spät, wenn ein Hungergefühl entsteht, dann würde die körperliche Leistung einbrechen. Die Herausforderung ist also, eine kontinuierliche Nahrungs- und Flüssigkeitsaufnahme hinzubekommen, die für eine dauerhafte Leistung sorgt, ohne den Magen zu belasten. Bei Hajo sind das erstaunlicherweise durchaus Vollkornbutterbrote und Körnerriegel, aber auch etwas „rutschigere“ Dinge wie Haferbrei oder alkoholfreies Hefeweizen („Bier is ooch Stulle“ sagt der Berliner). Und vor allem nach so einem Lauf werden unvorstellbare Mengen von Essen verdrückt....
Kann man bei kalten Regenschauern und bei scharfem Nordwind, mit klammen Fingern, für einen Wüstenlauf trainieren? Erstaunt musste ich lernen: ja, durchaus.  Die Überwindung, das Ausblenden von widrigen Umständen, die Konzentration auf das eigene Ziel, den eigenen Rhythmus und das Fokussieren auf den „inneren Sommer“, das trainiert die mentale Kraft.  Und die ist bei extremen Ultraläufen das Zünglein an der Waage.

Dienstag, 9. April 2013

Zu Fuß durch den Glutofen - Das härteste Rennen der Welt...



Das ist das berühmte Objekt der Begierde und in diesem Juli werden wir alles tun, damit Hajo ihn bekommt:


Diesen „Buckle“, eine schön gearbeitete Gürtelschnalle, erhält, wer es beim BADWATER ULTRAMARATHON im kalifornischen Death Valley innerhalb von 48 Stunden über die Ziellinie schafft. Es handelt sich um einen Lauf über stolze 135 Meilen (217 km) durch eine der lebensfeindlichsten Gegenden der Welt und das Mitte Juli bei bis zu 55°C. Als wär das noch nicht genug, liegt der Startpunkt am tiefsten Punkt der USA, 85m unter dem Meeresspiegel, und das Ziel 2530m hoch am Mount Whitney Portal. Die Läufer müssen zusammengerechnet einen Höhenunterschied von über 4500m bewältigen, der glühenden Hitze trotzen, keine Angst vor heftigen Anstiegen haben und eine Crew finden, die unerschrocken mitzieht und den Überblick behält.

Der Lauf trägt den bezeichnenden Beinamen „Challenge of the Champions“ und tatsächlich hat jeder der 99 Läufer, die es hierher geschafft haben, eine Menge vorzuweisen. Der BADWATER ULTRAMARATHON ist ein Einladungslauf, das bedeutet, dass man sich bewerben muss, und nur viel Erfahrung und viele erfolgreich absolvierte Ultras bringen einen Läufer in die engere Auswahl. Wer die Chance bekommt, hier zu laufen ist mit Sicherheit ein beeindruckender Athlet – und wahrscheinlich ein bisschen verrückt.

Eine der wichtigsten Regeln ist, dass jeder Läufer eine eigene Crew haben muss, die ihn begleitet und sich um ihn kümmert. In einer gnadenlosen Landschaft wie dem Death Valley ist das auch eine Lebensversicherung und verlangt viel gegenseitiges Vertrauen.

Als im Februar die Mail mit den berühmt-berüchtigten Worten „Congratulations! You’ve been accepted to compete in the 2013 Badwater Ultramarathon...“ kam, konnte Hajo sein Glück kaum fassen. Was für eine Ehre, unter mehr als tausend Bewerbern aus aller Welt, für einen der 45 „Rookie“-Startplätze (Badwater-Neulinge) ausgesucht worden zu sein! Nur zwei Teilnehmer aus Deutschland haben es geschafft und der Freudentaumel währte tagelang.

Das Team, das ihn begleitet, besteht aus Julia und Jens Vieler und mir. Jens ist diesen Lauf 2011 selbst erfolgreich gelaufen und Julia und Hajo waren damals in seiner Crew. Beide sind beeindruckende und erfahrene Ultraläufer, es gibt kaum bessere Voraussetzungen. Ich selbst falle ein wenig aus dem (Lauf-)raster, qualifiziere mich aber durch 30 erfolgreiche Ehejahre und ausreichend erprobte Motivationsstrategien ;-)) Und natürlich möchte ich dabei sein, wenn mein Mann sich seinen jahrelangen Traum erfüllt.