Samstag, 25. Mai 2013

"Wo es hoch geht, geht es auch wieder runter..." - Teilnahme am Rennsteig Supermarathon 2013



In Berlin Höhenmeter zu trainieren ist nicht einfach, da die Stadt ja bekanntlich im flachen märkischen Sand liegt. Wir haben ein paar kleine Erhebungen wie den Kreuzberg und einige künstliche Trümmerberge, die nach dem Krieg aus dem Schutt der zerbombten Häuser errichtet worden sind. Dazu gehören der Teufelsberg und der wunderschöne Volkspark Friedrichshain. Letzterer liegt nur 3 km von unserer Wohnung entfernt und bietet mit dem kleinen und großen Bunkerberg Gelegenheit Auf- und Abstiege wenigstens ein wenig zu trainieren.

Da Badwater nicht nur ein Wüsten- sondern in gewisser Hinsicht auch ein Berglauf ist (4500 Höhenmeter sind zu bewältigen) gehört Bergtraining zwingend zur Vorbereitung. Eine der schönsten und traditionsreichsten Möglichkeiten bietet der legendäre Rennsteiglauf über die Höhen des Thüringer Waldes. Hajo ist ihn bereits 2009 gelaufen und war begeistert von der Strecke und der tollen Organisation. Also auf nach Eisenach!

In den Tagen vor dem Lauf blieb uns an Wetterhiobsbotschaften nichts erspart. Erst kam eine Kaltfront, dann Unwetter und zwei Tage vorher schneite es auf den Höhen. Die Bilder von den weißen Tannen und verschneiten Wegen versetzten Hajo in trübsinnige Stimmung, aber ein echter Ultraläufer muss es schaffen, widrige Bedingungen komplett ignorieren zu können und es stand außer Frage, dass er startet.


Der Rennsteig ist ein historischer Grenzweg und außerdem der älteste und meistbegangene Weitwanderweg Deutschlands mit insgesamt 170 km. Der Rennsteig-Supermarathon geht über 72,2 km und beginnt im schön restaurierten Eisenach, der Luther- (Wartburg!) und Bachstadt (Geburtshaus!). Der höchste Punkt liegt bei 973 m, vorbei an Orten mit Namen wie Jubelhain, Ausspanne und Bierfleck, das Ziel ist in Schmiedefeld erreicht. Eine der Besonderheiten dieses Laufs ist die leckere Verpflegung: an gigantischen Verpflegungsständen gibt es neben den üblichen Dingen leckere Stullen, Haferschleim in verschiedenen Geschmacksrichtungen, Thüringer Würstchen und Köstritzer Schwarzbier. Die Organisation ist beispielhaft: Läuferparty mit Gulasch, Klößen und Rotkohl am Vorabend, ein Volksfest mit Superstimmung am Zielort, Gepäcktransport, Shuttle nach Eisenach und insgesamt 1500 freundliche und ehrenamtliche Helfer. Hier fühlt man sich willkommen und der Rennsteiglauf hat zu Recht Kultstatus.



Das Wetter war am Ende viel besser als angekündigt. Es war mit 6 Grad zwar kalt, aber in der ersten Hälfte schien sogar die Sonne und es blieb trocken. Hajo hatte sich vorgenommen, die Anstiege zu laufen, was er auch geschafft hat und mit 8:28 h sein gestecktes Ziel von unter achteinhalb Stunden ebenfalls. Mit vier Schichten Kleidung und Matsch bis unter die Augenbrauen, aber strahlend und glücklich. Wieder einen Schritt näher an Badwater...

Samstag, 18. Mai 2013

"Same, same, but different..." - Warum Extremsport oft auch sehr unterhaltsam sein kann


Als Hajo begann Ultramarathon zu laufen, habe ich meine Liebe zu diesen Events entdeckt, die oft jenseits der medialen Aufmerksamkeit stattfinden. Neben einer herzlichen und sehr persönlichen Atmosphäre sowohl unter den Läufern wie auch den Supportern (Ultra geht ja nicht ohne), sind diese Veranstaltungen für mich auch ein Quell von wunderbaren, skurrilen und oft berührenden Geschichten. Je extremer der Lauf, desto extremere Persönlichkeiten sind anzutreffen und das perfekte Unterhaltungsprogramm ist garantiert.

Was ich meine, lässt sich ganz wunderbar am Badwater Ultramarathon aufzeigen. Als Jens ihn 2011 gelaufen ist, waren wir ja schon vor Ort und die bunte Vielfalt der Läufer-Persönlichkeiten hat mich sofort fasziniert. Vermutlich muss man sowieso verrückt sein, um über 200 km im Glutofen laufen zu wollen, aber die Kompromisslosigkeit der unterschiedlichen Lebensentwürfe und Selbstdarstellungen ist doch bemerkenswert. Ich werde nach und nach einige der Athleten kurz vorstellen.



Zum Beispiel Keith Straw, ein Programmierer aus Pennsylvania, der seit 2009 jedes Jahr in einem selbstgenähten pinken Ballettröckchen läuft. Er ist mir aufgefallen, weil er unglaublich gute Laune verbreitet und das auch noch nach vielen Meilen.


Marshall Ulrich, ein Autor und Bergführer aus Colorado, der in diesem Jahr seinen 22. (!) Badwater Ultramarathon läuft. Weil er beim Laufen oft Probleme mit seinen Zehennägeln hatte, hat er sie sich kurzerhand ziehen lassen. Er findet, dass seine Füsse jetzt schöner aussehen und besser zu einem Läufer passen. Er hat den Lauf auch schon solo gemacht, indem er einen Wagen mit allem, was er brauchte, hinter sich her zog und, weil es so schön war, den Lauf noch um 13 (Berg-) Meilen verlängerte, um ihn auf dem Gipfel des Mount Whitney enden zu lassen.

Frank McKinney
, der Luxushäuser mit Stuntshows verkauft, und sich auf Badwater vorbereitet, indem er 24 Stunden lang einen Autoreifen hinter sich herzieht, immer eine große Brücke hoch und runter, um die Auf- und Abstiege zu simulieren.


Dan Jensen, ein Vietnam-Veteran, der sich auch von einer Bein-Amputation nicht vom Ultramarathon abhalten lässt. Er hat erst danach damit angefangen und läuft mit einer speziellen Prothese, die sich bei der extremen Hitze nicht verformt.


Ed Ettinghausen, ein Kalifornier, der immer mit einer Narrenkappe läuft und 2011 ins Guinness Buch der Rekorde kam, als der Mann, der die meisten Marathons in einem Jahr gelaufen ist, unglaubliche 135 Stück.


Und dann noch Pam Reed, die den Badwater Ultramarathon schon zweimal vor allen Männern gewonnen hat und nicht nur damit als Extremsportlerin Maßstäbe gesetzt hat. Sie ist die einzige Frau, die 300 Meilen non-stop gelaufen ist (in unter 80 Stunden), sie hält den amerikanischen Rekord für 24-Stunden-Läufe (138,96 Meilen), hat 20 Male den Ironman gefinished und nebenbei auch noch drei Söhne großgezogen.

Badwater ist, neben der großen sportlichen Herausforderung, auch auf jeden Fall eines: Ganz grosses Kino :-)

Samstag, 11. Mai 2013

"Mal etwas länger laufen..." - Härtetest beim 24-Stunden-Lauf in München

Aus meiner Sicht hat Hajos Laufbegeisterung seine Passion auch einen besonders netten Nebeneffekt: wir verreisen öfter mal. Zu seinem Vorbereitungsplan für Badwater gehört in dieser Phase auch ein weiterer 24-Stunden-Lauf, sozusagen als echter Härtetest. Ein Härtetest wurde es in der Tat, jedoch ganz anders als erwartet.
Hajo hatte sich einen Lauf im Münchner Olympiapark ausgesucht und da dieser erst um 20:00 Uhr startete, hatten wir eine gemütliche Anreise. Das Wetter war deutlich besser als angesagt und entwickelte sich prächtig, schönes warmes Maiwetter. Der Olympiapark ist sehr weitläufig und abwechslungsreich angelegt, die 2,5 km-Runde ging sogar um einen See herum und bot auch einige Höhenmeter.


Was mir bei Ultra-Laufveranstaltungen immer besonders auffällt (und gut gefällt) ist die besondere , sehr entspannte Atmosphäre unter den Läufern. Je länger die Strecke, desto cooler und netter die Läufer. Kein Vergleich mit der Hektik eines Marathons. Auch der Drang zur Selbstdarstellung und zum egoistischen Durchboxen fehlt, dafür dominiert Hilfsbereitschaft und die gemeinsame Freude an der eigenen und fremden Leistung. Bei Marathons hatte ich manchmal das Gefühl, dass es für viele nur darum geht, einen vorweisen zu können, bei Ultra-Läufen trifft man die, für die, für die das Laufen zum Lebensgefühl geworden ist. Natürlich ist die Bandbreite bunter und schräger Vögel auch deutlich größer, aber dazu ein andermal.
Wir haben auch in München wieder nette alte Bekannte und neue Freunde getroffen. Mit Hajo hatte ich vereinbart, dass ich die ersten Stunden nach dem Start dabei bin, mich in der Nacht einige Stunden schlafen lege und dann am frühen Vormittag wieder dazukomme, um die schwierigere zweite Hälfte zu supporten.
Schon bevor ich ging, hatte ich den Eindruck, dass die Organisation des Laufes nicht besonders kompetent wirkte. Die Absperrungen und Leitsysteme wirkten dilettantisch und es waren kaum Ordner zu sehen, was in einem von extrem vielen Skatern, Bikern, Spaziergängern und Joggern gleichzeitig genutzten Gelände sehr unglücklich war. Wirklich besorgniserregend kam mir jedoch die Verpflegungssituation vor, die im Wesentlichen aus Wasser, Erdinger alkoholfrei und wenigen Käsebrothäppchen bestand. Zu diesem Zeitpunkt ging ich jedoch noch davon aus, dass sich das in der laufenden Veranstaltung noch verbessern würde.
Kurz nach dem Aufwachen rief mich Hajo an und erzählte mir, dass es ihm nicht besonders gut ginge, er fühle sich kraftlos und etwas schwindlig. Das kam mir seltsam und untypisch vor und es kam raus, dass es in der Nacht kaum etwas zu essen gegeben hatte und er sich seine paar Riegel und Stullen einteilen wollte. Wir vereinbarten, dass er erstmal ordentlich essen sollte und ich rückte so schnell es ging mit massenhafter (am Feiertag trickreich organisierter) Verpflegung und ordentlichen Getränken an.
Und siehe da: wer gut isst, kann gut laufen. Das Tief war bald überwunden und dank "Kraft durch Stulle" war Hajo in der Lage bis zum Ende durchzulaufen.



Allerdings nahmen die Organisationspannen kein Ende. Direkt nach dem Startbereich, in dem auch die Staffelübergabe stattfand, liefen Fußgänger kreuz und quer über die Laufstrecke, fuhren Radfahrer Läufern über die Füße und am Ende wurden auch Autos, LKWs und sogar ein Tieflader über die Strecke gelenkt, manche Situationen waren richtig gefährlich. Es gab weiterhin nur spärliche Verpflegung und niemand war bereit, sich die Sorgen der Läufer oder Betreuer anzuhören.
Das Wichtigste für mich war jedoch zu sehen, wie stark Hajo sich fühlte und wie gut er durch die 24 Stunden gekommen ist. Am Ende waren es ungefähr 175 km (noch nicht mal die Rundenzählung funktionierte fehlerfrei), aber das war nicht das Ausschlaggebende, sondern zu sehen, dass er fit ist, sich nicht von schwierigen Situationen unterkriegen lässt und es schafft, ganz bei sich zu bleiben.
Jetzt geht es noch ein paar Tage in die Alpen, Läuferbeine und den Supporter entspannen ;-)

Samstag, 4. Mai 2013

"You never stand alone..." - Warum es im Death Valley nicht ohne Crew geht


Lange Ultra-Läufe - ob am Stück oder in Etappen-  sind ohne einen guten Support kaum zu schaffen. Wenn man hunderte von Kilometern laufend unterwegs ist, dann ist eine gute Betreuung immer ein Teil des Erfolgs, beim Badwater Ultramarathon ist sie sogar überlebenswichtig. Der Veranstalter ADVENTURE CORPS schreibt eine Crew vor und lässt niemanden alleine starten. Die Supporter begleiten den Läufer über die gesamte Strecke und versorgen ihn mit allem, was er braucht: Essen, Trinken, Abkühlung, frische Kleidung, Sonnenschutz, Blasenpflaster und Trost. Dazu fahren sie mit dem Auto immer eine Meile vor, stoppen am Straßenrand und warten.Was am Anfang noch einfach ist, wird von Meile zu Meile anspruchsvoller. Die lange Strecke (217km) und das heftige Klima gehen allen an die Substanz und fordern Höchstleistungen. Über 130 Mal heißt es vorfahren, warten, versorgen, weiterfahren und das mindestens 48 Stunden ohne Schlaf.

Spätestens nach der Hälfte fängt der Teil für die starken Nerven an. Als Crew-Mitglied muss man unerschrocken sein und darf sich in keinem Fall aus der Ruhe bringen lassen. Riesige Blasen, steife Muskeln und sonstige Schmerzen sowie Magenprobleme kennt man vielleicht schon von anderen extremen Läufen. In der Hitze des Death Valley kommt noch etwas dazu, das nicht wenige Läufer beschreiben: Bewusstseinstrübungen und Halluzinationen. Eine Läuferin beschrieb, dass sie glaubte, sich durch Menschenmassen drängeln zu müssen, ein anderer lief etliche Meilen neben dem Teufel (in rot mit Dreizack) und unterhielt sich sogar angeregt mit ihm. Die Crew muss in der Lage sein, seltsame Erscheinungen zweifelsfrei von kritischen Zuständen unterscheiden zu können und dann schnell reagieren. Dafür ist es wichtig, sich während des Supports auch gegenseitig im Auge zu behalten. Eine der Ärzte des Badwater Ultramarathons erzählte, dass viele medizinische Einsätze gar nicht die Läufer betreffen, sondern Crew-Mitglieder, die dehydrieren oder einen Hitzschlag bekommen, weil sie sich zu sehr auf den Läufer konzentrieren und die eigenen Bedürfnisse vernachlässigen. Je besser sich die Crew kennt und je eingespielter alle aufeinander sind, umso besser. Spannungen oder Meinungsverschiedenheiten dürfen auf keinen Fall den Läufer erreichen, denn dieser braucht seine volle mentale Stärke.

Vor einigen Tagen hatten wir in Berlin unser Pre-Race-Meeting und sind viele organisatorische Punkte durchgegangen. Von unschätzbarem Vorteil ist die Tatsache, dass Jens diesen Lauf bereits selbst erfolgreich gefinisht hat und Julia und Hajo in seiner Crew waren. Ich selbst war schon oft im Death Valley und habe Hajo dort und in anderen Wüsten als Supporterin über lange Strecken begleitet, so dass ich glaube, seinen Zustand jederzeit sehr gut einschätzen zu können. 
Bei diesem Lauf vertraut der Läufer seiner Crew sein Leben an und deshalb ist es wichtig, dass jeder seine Rolle, seine Aufgaben und Entscheidungsbefugnisse genau kennt. Ich werde hauptsächlich die Ernährung verfolgen und im Ernstfall entscheiden, ob weiter gelaufen wird oder nicht, Jens wird mental coachen, teilweise (sicher begeistert) mitlaufen und Julia als Masseurin ist Hajos physischer Coach. Überall mit anpacken, gute Stimmung verbreiten, jederzeit etwas Eiswasser versprühen und selbst das Event in vollen Zügen zu genießen ist für uns alle selbstverständlich.

Julia und Jens sind erfahrene Ultraläufer und haben viel Erfahrung sowohl mit eigenen Läufen, wie auch in der Organisation von solchen. Die wunderbare „TorTour de Ruhr“ (230 km,  http://www.tortourderuhr.de ) gäbe es nicht ohne sie. Ich hätte mir keine lieberen und engagierteren Mitstreiter vorstellen können und das alles stimmt mich zuversichtlich und lässt die Vorfreude wachsen. Nur noch 10 Wochen bis zum Start-Countdown....