Sonntag, 30. Juni 2013

"Wer hoch hinaus will, muss unten losgehen..." - Warum Höhentraining auch den Kopf trainiert


Seit einigen Tagen halten wir uns im Südwesten von Utah auf 2100 m auf und gewöhnen uns an ein Trainieren und Crewen in der Höhe. Zum Thema Höhentraining gibt es viele und auch sehr kontroverse Meinungen. Viele Sportler steigern durch ein gezieltes, wochenlanges Training vor Wettkämpfen in 1800-2500 m Höhe ihre Leistung, andere verzichten darauf und halten das Thema für überbewertet.


Der Grund, warum Hajos Trainingsplan zwei Wochen Höhentraining vorsieht, ist aus meiner Sicht aber etwas anders gelagert. Nennenswerte Höhen kommen bei ihm weder im täglichen Training (Berlin!) noch bei Wettkämpfen vor, da er kein Trail-Läufer ist und somit keine Bergläufe absolviert. Das Laufen in die Höhe ist für ihn also ungewohnt und schlecht einschätzbar. Beim Badwater Ultramarathon liegen die  stärksten Anstiege alle im zweiten Teil und vor allem kurz vor dem Ziel, da geht es  auf den letzten 19,5 km ganze 1450 m hoch. Das Gefühl, in der Höhe zu laufen, die Gewöhnung daran und der Umgang mit möglichen körperlichen Reaktionen darauf, sind also ein sinnvoller Teil der physischen, aber vor allem der mentalen Vorbereitung.

War das Laufen in der Höhe bisher eine Unbekannte mit einem Unsicherheitsfaktor, so ist jetzt durch das erfolgreiche Training, die Gewissheit entstanden, es gut packen zu können. Nach etwas Kurzatmigkeit und ungewohntem Puls am Anfang, hat sich nun alles normalisiert und wir haben festgestellt, dass Hajo sehr gut mit der Höhe klar kommt. Das hat ihm den Kick gegeben, sich die Anstiege noch besser zuzutrauen und gelassen anzugehen. Vieles, was beim Höhentraining zu beachten ist, trifft sowieso auch auf Wüstenläufe zu, z.B. der erhöhte Flüssigkeitsbedarf und die intensivere Sonneneinstrahlung. Hier hatten wir nun das besondere Glück, auf eine Hitzewelle mit viel höheren Temperaturen als gewöhnlich zu treffen, so dass fast alle Läufe bei 33-37 Grad stattfinden konnten. Das waren zwei Fliegen mit einer Klappe und entsprechend zufrieden sind Läufer und Supporter :-))


Die Umgebung und ein Leben, das momentan ausschließlich aus angenehmen Outdoor-Aktivitäten besteht, tun ein Übriges dazu. Momentan halten wir uns im Gebiet des Capitol Reef Nationalparks auf, eine atemberaubende, majestätische Ansammlung von blutroten Steilwänden, Canyons und bizarren Felsskulpturen, die auch wunderbar erwandert werden können. Das ist für mich ein gutes Training, denn natürlich muss auch ich so fit sein, wie es nur geht. Die meisten Ausfälle und ärztlichen Einsätze beim Badwater-Lauf betreffen nicht Läufer sondern Crew-Mitglieder. Bis zu 48 Stunden Dauersupport sind kein Pappenstiel, aber Jens und Julia sind zum Glück nicht nur erfahren sondern auch superfit und ich arbeite dran.

Morgen beginnt die langsame Rückreise in den Süden Richtung Las Vegas. Es ist die dritte und letzte Woche im Wohnmobil und wir werden sie genießen. Hajo fährt die Trainingsintensität etwas zurück und wir werden damit beginnen, uns an Hitze weit über 40 Grad zu gewöhnen. Nur noch zwei Wochen bis zur Startlinie...

Donnerstag, 27. Juni 2013

"...und hinter jeder Biegung ein neues Wunder." - Vom Laufen und Staunen in den Utah State Parks

Seit einer Woche sind wir nun unterwegs und es kommt mir viel länger vor, weil wir so viel erlebt haben. Hajos Strategie ist es ja, erst ein wenig Höhentraining zu machen und dann mit der Hitzegewöhnung zu beginnen. Aus diesem Grund sind wir zuerst von Las Vegas aus Richtung Norden gefahren, auf das Colorado-Plateau und in den Südwestzipfel von Utah.
Nach wunderbaren Tagen in der etwas versteckten Cathedral Gorge ging es nach Cedar City, einer niedlichen Kleinstadt auf 1800m. Da die University of Southern Utah dort einen Standort hat, gibt es nicht nur viel junges Volk und nette Läden, sondern auch einige schön ausgebaute Walking Trails für Läufer, Biker und Skater. Der schönste führt ein ganzes Stück in einen malerischen Canyon hinauf und bot Hajo neben moderatem Höhentraining auch noch einige nette Anstiege. Sein Fazit nach 27 km war so kurz wie aussagekräftig: "Anstrengend. Toll."
Kurz hinter der Stadt liegt ein spektakulärer Felsengrat, Cedar Breaks, mit einem atemberaubenden Wanderweg auf 3200m. Mir ist tatsächlich etwas die Luft weggeblieben, ich habe gelernt, dass ich mich in großer Höhe nicht so wohl fühle, Hajo ist natürlich ungerührt vorangestiefelt, trainiert sein zahlt sich eben aus.
Cedar City hatte aber auch noch eine andere Attraktion zu bieten: einen echten Bäcker mit eigener Backstube. Für einen Stullenfan wie Hajo ist die Brotsituation in den USA immer sehr unbefriedigend, im Wesentlichen gibt es nur labberiges Toastbrot. Dort aber gab es sogar Körnerbrot und himmlische Scones und ich glaube unsere Tüte wog beim Rausgehen mehrere Kilo.

Der nächste Stop war der Kodachrome State Park, so genannt, weil die Felsen dort satte Farbschattierungen in pink-rot-ocker-braun zeigen, die an alte Farbfilme erinnern. Der Name war wohl ursprünglich nur ein Jux, wurde aber von Kodaks Marketingabteilung schnell "autorisiert" und ist bis heute offiziell. Ganz in der Nähe liegt der berühmte Bryce Canyon und schon deshalb fahren wohl viele an Kodachrome vorbei.
Für Hajo bot der State Park wieder eine wunderbare Laufstrecke, auf einem sanft mäandernden schmalen Asphaltband zwischen bunten Felsen. Das Besondere dort sind riesige, steil aufragende Felsnadel, ehemalige Sedimentkanäle in urzeitlichen Geysiren, die stehengeblieben sind, als die Umgebung in Jahrtausenden von Wind und Wetter abgetragen wurde. Jetzt stehen sie da, mächtige Riesen und wirken in dieser archaischen Umgebung trotzdem filigran. Und auch hier hat der Zauber der Umgebung den Füßen wieder Flügel verliehen, 28 km Sightseeing begleitet von schnellen Eidechsen und taumeligen Monarch-Faltern, in optimalen 33 Grad, pures Glück.

Heute sind wir noch ein Stückchen weiter in das Gebiet des Grand Staircase-Escalante hineingefahren. Hier reiht sich eine Bergkette an die andere, wie Stufen in einem Treppenhaus, dazwischen gewaltige Hochtäler und staubige kleine Orte wie Escalante, unserem heutigen Stopp. Trotz der Höhe wird es wärmer, heute fast 36 Grad und ein "Läufchen" von 23 km, schön in der größten Nachmittagshitze, denn das Höhentraining soll ja gleitend in das Hitzetraining übergehen. Escalante hat zum Glück aber auch einen Shady Saloon mit literweise Eistee auf der Veranda, für alle die etwas weniger Bewegungsdrang haben.

Morgen wartet ein Regenerationstag auf uns, mit einer Wanderung in einem versteinerten Wald, einem Besuch in einem Anasazi-Museum und einem mexikanischen Festessen am Ende des Tages, wir feiern unseren 30. Hochzeitstag :-)))

Sonntag, 23. Juni 2013

"Was macht die Eidechse in der Kathedrale...?" - Vom Laufen in wunderbarer Wildnis




In den letzten Tagen durfte ich mich an etwas schon fast Vergessenes erinnern: es gibt ein Leben ohne Internet. Und was für eins! Wir haben herrliche Tage in einem etwas abgelegenen und sehr idyllischen State Park an der Grenze zu Utah verbracht.

Cathedral Gorge ist ein weitläufiges karges Tal, in dem starke Erosionskräfte fantastische Gebilde geschaffen haben, die an gotische Kathedralen erinnern. In einer sonnendurchglühten Wüstenszenerie meint man plötzlich das Strassburger Münster zu erkennen, die Türme von Notre Dame oder die Skulpturenfriese des Kölner Doms. Die roten Steinriesen bieten atemberaubende Anblicke und sind eine traumhafte Laufkulisse!

Hajos Plan sieht zwei Dinge vor: Hitzetraining (nach diesem Frühjahr dringend nötig) und etwas Höhentraining (Badwater geht auf 2530m hoch). Cathedral Gorge bot einen schönen, moderaten Anfang mit 1500 Höhenmetern, 35 Grad, wolkenlosem Himmel und warmem Wind. In zweieinhalb Tagen kamen so 92 km zusammen, mit leichten Füßen und einem dauergrinsenden Hajo. Jeden Tag wurde die Strecke ein wenig länger, staunend beobachtet von Geckos, Wüstenhasen, Koyoten, Klapperschlangen und mir.

Das Leben im Wohnmobil ist angenehm und bietet uns die nötige Freiheit. Wir können bleiben wo und wie lange wir wollen, Pläne spontan ändern und vor allem die Ernährung optimal gestalten. Vor allem letzteres ist wichtig, da Hajo vor dem Lauf auf keinen Fall zu sehr abnehmen darf und deshalb permanent futtern muss. Leider kämpfen wir da an verschiedenen Fronten, aber auch das macht eine eigene kleine Küche einfacher ;-))

Heute morgen sind wir weiter gefahren, nach Utah und in die Höhe. Morgen knacken wir die 3000 Höhenmeter, aber nur mit einer Wanderung, die nächsten Trainingsläufe werden sich knapp über der  2000er Marke bewegen. Ein kleiner Wermutstropfen: nachts wird es ziemlich kühl, aber bald geht es mit dem Hitzetraining los, dann warten die warmen Nächte. Mir persönlich liegt Hitze mehr als Höhe, deshalb freue ich mich auf die echte Wüste.



Mittwoch, 19. Juni 2013

"Easy living..." - Entspannen im Silver State

Mit fast drei Stunden Verspätung sind wir am Montag Abend müde in Las Vegas gelandet. Gleich am anderen Morgen haben wir das Wohnmobil übernommen und sind nach Norden gestartet. 
Das Wetter macht uns glücklich. Um sieben Uhr morgens sind es schon 30 Grad und es ist eine trockene Wärme, die uns ahnen lässt, wie die kommenden Wochen werden. Alles trocknet im Handumdrehen, der Himmel ist immer tiefblau, unser Leben spielt sich draußen ab und Hajo kann seinen ersten Hitzelauf kaum erwarten. Die Nächte sind warm und der Sternenhimmel reine Poesie. Das Leben wird leicht.



    Die nächsten Tage verbringen wir in einem Nationalpark ohne Internet. 
    Ich melde mich danach wieder mit den ersten Laufberichten und Bildern.

Samstag, 15. Juni 2013

"Good vibrations..." - Warum es stark macht, ein Teil von etwas zu sein



In zwei Tagen geht es auf die Reise und wir genießen noch  das schöne Sommerwochenende in Berlin. Hajo ist nach dem kleinen viralen Infekt der letzten Woche wieder fit, so fit, dass er beim 24-Stundenlauf in Frohnau immerhin die 6-Stunden-Distanz laufen konnte. Er macht vorsichtshalber nur die Kurzstrecke, sagt er, es ist eben alles relativ, stelle ich mal wieder fest. Mit 60,8 km ist er am Ende happy und gelöst. Statt Medaille gibt es einen lustigen Hut.
Die gut organisierte Veranstaltung und die vielen lieben Lauffreunde tun ihr Übriges, um eine ihn schöne Verabschiedung in Richtung Badwater erleben zu lassen.

Ich freue mich, ihn in Bestform zu sehen. Dieses Jahr läuft es wirklich gut, keine Verletzungen, eine astreine Motivation, und er scheint sehr gut vorbereitet zu sein. Mich fasziniert die Kraft, die Visionen entwickeln. Sie können wirklich Berge versetzen und Flügel verleihen, und der alte Satz, dass man das tun soll, was man wirklich liebt, wenn man Erfolg haben will, bestätigt sich immer wieder.

In vier Wochen stehen wir am Start von Hajos Traumlauf und es wird mit Sicherheit das härteste Rennen seines Lebens. Natürlich ist ein guter Trainingsplan, richtige Ernährung und professionelle Unterstützung wichtig. Aber es ist vor allem die Kraft der positiven Bilder, die ihn dort hin gebracht haben wird. Wenn er über Badwater und das Laufen im Death Valley erzählt, beginnt er zu strahlen, er sprüht vor Energie, und ich weiß, dass es dieses innere Leuchten ist, das ihn später durch alle Schmerzen und Tiefpunkte tragen wird.


Als ich 2011 als Beobachterin beim Death Valley Ultramarathon war, hat der in den USA lebende Mexikaner Oswaldo Lopez mit 23:41 h gewonnen. Wir drücken ihm und seiner Crew übrigens auch in diesem Jahr die Daumen.

Sein Laufstil und seine super eingespielte Crew haben mir gut gefallen, und weil wir die gleiche Sprache sprechen, habe ich seine Aktivitäten und Posts mit Freude weiter verfolgt. Natürlich ist er ein sehr guter Läufer, das steht außer Frage, aber wirklich beindruckt hat er mich nicht mit seinen Leistungen, sondern mit seiner zutiefst bescheidenen Haltung. Durch Oswaldo ist mir noch bewusster geworden, dass man immer ein Teil von etwas ist, dass die positive Energie von mitfiebernden Freunden eine starke Kraft ist und Kontinente mühelos überwindet. In den letzten Wochen ist uns auf berührende Weise gezeigt worden, wie viele Freunde uns tatkräftig unterstützen, in Gedanken begleiten und die Daumen drücken und wir spüren deutlich wie das trägt.

Danke dafür und für das große Interesse an diesem Blog. Das nächste Mal melde ich mich schon aus Las Vegas.

Und hier noch der Soundtrack zum heutigen Post J

Samstag, 8. Juni 2013

"Einer geht noch, einer muss noch rein..." - Wie man in der Sauna den Stoffwechsel trainiert





Zur Vorbereitung für einen Wüstenlauf gehört natürlich vor allem Hitzetraining. Das ist  im deutschen Sommer  schon unter normalen Umständen schwierig genug, in diesem Jahr aber ein Ding der Unmöglichkeit. Wir bauen dafür eher auf die drei Wochen, die wir vor dem Lauf in Kalifornien und Nevada verbringen werden.

Trotzdem muss der Körper gut und langfristig auf die kommende Ausnahmesituation vorbereitet werden. Die größten Gefahren in der Wüste sind Dehydration und Hitzschlag, Zustände, die nicht nur außer Gefecht setzen, sondern sehr schnell lebensbedrohlich werden können. Die Gegenmaßnahmen sind natürlich Kühlung und Flüssigkeitszufuhr, jedoch wirken die extremen körperlichen Anstrengungen eines Ultralaufs dafür regelrecht kontraproduktiv.

Nach wissenschaftlichen Aussagen kann der menschliche Stoffwechsel über einen fortgesetzten Zeitraum nur einen Liter Wasser pro Stunde verarbeiten. Das ist für diesen Lauf zu wenig und würde das Aus wegen Dehydration bedeuten. Ein Teil des Trainings muss also darin bestehen, die Flüssigkeitsaufnahme zu trainieren. Und damit sind wir beim berühmten Saunatraining, auf das so viele Athleten schwören.



Entgegen der landläufigen Meinung geht es dabei weniger darum, die Hitze auszuhalten, sondern vielmehr darum einen Hitzestoffwechsel zu trainieren. Das bedeutet vor allem, den Körper daran zu gewöhnen, nicht nur mehr als einen Liter Wasser pro Stunde aufzunehmen, sondern diese Menge  auch optimal in den Stoffwechsel einzuschleusen. Unser biologisches System verwendet viel von dieser Flüssigkeit dafür, den Körper herunter zu kühlen. Damit nicht zu viel einfach herausgeschwitzt wird, muss die Crew als unterstützende Maßnahme von außen befeuchten. Der Schweiß alleine würde auch gar nicht ausreichen.


Viele Wüstenläufer tragen deshalb statt Funktionskleidung leichte Baumwolle, da diese länger feucht bleibt und dem Körper hilft, das getrunkene Wasser bei sich zu behalten. Der heiße Wüstenwind trocknet ungeschützte Haut blitzschnell aus, was zusätzlich noch zu Verletzungen führen kann. Die Crew hält die Kleidung permanent nass und muss gleichzeitig sorgfältig darauf achten, dass diese durch die Reibung nicht zu Blasen führt.

Doch zurück zum Saunatraining. In der ersten Phase entkoppelt es die Wasseraufnahme vom Durstimpuls und gewöhnt den Körper an eine kontinuierliche Flüssigkeitsaufnahme. Hajo trainiert bei 90°C und bewegt sich dabei moderat. Nach jeweils 9-10 Minuten folgt eine kurze Unterbrechung von 2-3 Minuten in denen er kalt duscht und trinkt. Gestern kamen in den zwei Stunden Saunatraining vier Liter Flüssigkeit zusammen, die der Körper gut aufgenommen hat. 

Die nächste Phase folgt dann bald unter Realbedingungen.

Fotos: Julia Vieler, Badwater 2011

Samstag, 1. Juni 2013

"Nie den Respekt verlieren..." - Gedanken während der Vorbereitung auf Badwater



In zwei Wochen fahren wir schon in die Staaten und die Vorbereitung läuft auf Hochtouren. Wir haben beschlossen das Angenehme mit dem Nützlichen zu verbinden und machen vor dem großen Ereignis noch ein wenig Urlaub. Bevor der Lauf dann am 15. Juli startet, kann sich Hajo schon an das Klima und die Höhe gewöhnen und dann ganz fokussiert antreten.

Badwater ist neben der läuferischen Vorbereitung auch eine logistische Herausforderung der besonderen Art. Nur ein Beispiel: die Verpflegung und der Läufer müssen während des Laufs permanent gekühlt werden und dazu braucht man große Kühlboxen und Unmengen von Eis. Die Beschaffung von Eis in einer der härtesten Wüsten der Welt, muss aber gut geplant werden, denn der Veranstalter stellt zwar eine medizinische Betreuung, aber weder Transporte noch Verpflegung.

Alles muss selbst organisiert werden. Dem (nach vielen Kilometern) empfindlichen Ultra-Magen wird ungewohnte Kost zugemutet, was für jemanden, der seine Kraft zu einem nicht unerheblichen Anteil aus urdeutschen Vollkornstullen bezieht, ein durchaus kritischer Punkt sein kann. Der lange Aufenthalt vor Ort gibt uns die Gelegenheit, alles gut vorzubereiten und Gewöhnungsprozesse in Ruhe anzugehen.

Aus meiner Sicht ist auch die Wüstenerfahrung ein großer Vorteil. Hajo ist schon in der Sonora- und der Mojave-Wüste gelaufen, sogar im Death Valley und zusammen haben wir unzählige Wanderungen dort gemacht. In Gänsehaut-Erinnerung habe ich vor allem die Durchquerung des Grand Canyon und Wanderungen in der Anza-Borrego-Wüste.



Trotzdem kann in der Wüste immer alles passieren und wir begegnen ihr mit großem Respekt.  Das extreme Klima und die schnell einsetzende Dehydrierung können erstaunliche Bewusstseinsveränderungen hervorrufen und nicht wenige Menschen erleben in dieser Umgebung seltsame Visionen. Es gibt Läufer, die von sehr realistischen Begegnungen mit längst verstorbenen Personen berichten, andere beobachten Wettererscheinungen, die es nicht gibt oder unterhalten sich wie Al Arnold, der erste Badwater-Läufer, angeregt mit verschiedenen Tieren, darunter einige, die nachweislich nicht in dieser Region vorkommen.

Das Death Valley hat immer auch Menschen angezogen, die versucht haben, es in die Knie zu zwingen. Das Problem ist, dass das die Wüste nicht interessiert, sie gewinnt immer. Eine tolle Geschichte ist die von Jonathan Newhouse, der 1874 eine Rüstung gegen Hitze und Sonneneinstrahlung erfunden hatte. Sie bedeckte Kopf und Körper und war aus fingerdicken Badeschwämmen zusammengenäht, die über einen Wasserbeutel unter dem Arm und ein Schlauchsystem permanent mit einem Kühlmittel getränkt wurden. Mr. Newhouse wurde zwei Tage später von Indianern tot und steifgefroren in seiner Rüstung gefunden, mitten im glutheißen Valley. In seinen Haaren unter der Mütze war Eis, seine Erfindung hatte zu gut funktioniert, so gut, dass er nicht mehr rechtzeitig aus seiner Rüstung gekommen war.

Kann man die Wüste einfach genießen? Wir glauben: man kann! Mit dem nötigen Respekt, offenen Augen und einer fürsorglichen Crew ;-))